Jaden & Fay

Fay bemerkte den Unterschied in der Melodie kaum, stattdessen konzentrierte er sich mehr auf seine Umgebung, die jedoch eher still wirkte. Vermutlich hatten die meisten Tiere bei seiner Ankunft reissaus genommen. Kurz überlegte er, den Musiker anzusprechen, nur um ihn ein wenig zu ärgern, entschied sich dann jedoch dagegen und versuchte, möglichst ruhig zu bleiben.
Nach einer Weile setzte er sich und schloss die Augen, genoss einfach die Ruhe, abgesehen von der Melodie natürlich.

Jaden spielte noch einige Zeit weiter, fasziniert von der neuen Musik. Irgendwann ließ er dann aber die letzten Töne verklingen, senkte seine Flöte wieder und öffnete die Augen. Ohne seine Musik war es deutlich stiller, aber auch die Nacht selbst hatte ihren ganz eigenen Klang, wie er fand.
Ein paar Tiere hatten sich, als er so ins Spiel vertieft gewesen war, immer näher an ihn herangetraut. So konnte Jaden ganz in der Nähe zwei Füchse sehen, und in einem Baum in seiner Nähe saß eine Eule und blickte ihn an. Die Füchse legten nach einem Augenblick Stille verwirrt den Kopf schief, dann gingen sie wieder - Jaden hielt derweil möglichst still, er mochte es nicht, sein tierisches Publikum zu erschrecken.
Er hätte sich direkt wieder auf den Weg zurück zu seiner Wohnung machen können, um genug Schlaf zu bekommen, morgen möglichst früh wieder an einer seiner Straßenecken zu stehen, aber erst einmal wollte er noch einen Moment länger die Nacht hier im Park genießen. Nur seine Flöte packte er vorsichtig schon einmal ein.

Nachdem die Melodie verstummt war, öffnete Fay seine Augen wieder, nur um ein paar Tiere zu entdecken, die sich inzwischen näher getraut hatten. Als er leicht den Kopf drehte, bemerkte er, dass der Musiker seine Flöte wegpackte, vermutlich um zu gehen. 
Fay überlegte, ob es nicht auch langsam an der Zeit für ihn war, zu gehen, aber wirklich Lust hatte er nicht. Vielleicht könnte er zu dem Strassenmusiker gehen und mit ihm reden, aber worüber? Mal abgesehen davon, dass er momentan sowieso lieber seine Ruhe hätte. Also blieb er einfach sitzen und beobachtete weiter seine Umgebung.

Nchdem die Flöte eingepackt war, blieb Jaden noch etwas stehen und genoss einfach die Nachtluft. Der Park war in seinen Augen ein durch und durch angenehmer Ort, egal zu welcher Tageszeit.
Aber er konnte schlecht die ganze Nacht hierbleiben; zumindest nicht, wenn er morgen wieder spielen wollte. Also ließ er noch ein letztes Mal den Blick über den Park schweifen, bevor er sich zum gehen umwandte - Und eine bekannte blonde Gestalt an einem Baum lehnen sah. Das würde erklären, weshalb seine Musik anders geklungen hatte als sonst. Zwar verstand Jaden es selbst nie so ganz, aber seine Melodien neigten dazu, sich den Menschen um ihn herum anzupassen. Auch, wenn es normalerweise eher dann passierte, wenn er sich auch auf diese konzentrierte.
"Was treibt denn dich hierher?", fragte er Fay, ein freundliches Grinsen im Gesicht. Er lief dem Blonden heute beeindruckend häufig über den Weg. Die Feier war ja verständlich, aber ein nächtlicher Park war normalerweise kein Ort, der die feinere Gesellschaft anzog.

"Nichts besonderes...", erwiderte Fay, während er versuchte, einigermassen elegant aufzustehen. Eigentlich wäre er lieber sitzen geblieben, aber zu dem Musiker so weit hinauf schauen zu müssen ging ihm gegen den Strich. Im Sitzen wirkte er neben Jaden klein, was ihm ein wenig das Gefühl gab, unterlegen zu sein, ein Gefühl, dass er absolut nicht leiden konnte. 
"Ich brauchte nur etwas frische Luft, auf diesen Feiern sind einfach immer zu viele Menschen", fügte er dann noch im Stehen hinzu, während er sich kurz abklopfte.
"Und was führt dich hierher?"

Als Fay aufstehen wollte, bot Jaden ihm eine Hand an, um ihm aufzuhelfen. "Dann tut es mir leid, dass du selbst hier noch einen Menschen treffen musstest", sagte er. Seine Stimme klang tatsächlich ein wenig entschuldigend, wenn auch nicht so, als hätte er ein schlechtes Gewissen.
Auf seine Frage dagegen zuckte Jaden nur die Schultern. "Der Park hat bei Nacht seinen eigenen Rhythmus, ganz anders als die Stadt", erklärte er. "Hin und wieder höre ich einfach gerne etwas anderes, was mir erlaubt, auch Mal etwas ganz anderes zu spielen."
Neugierig, aber nicht zu aufdringlich, musterte Jaden sein Gegenüber. "Du bist also kein großer Freund von Menschenmassen?"

Fay nahm weder die Hilfe an, noch reagierte er auf Jadens Aussage, stattdessen verschränkte er einfach die Arme und lehnte leicht gegen den Baum.
"Offensichtlich", erwiderte er dann auf die letzte Frage des Musikers und verdrehte die Augen. "Wieso sollte ich auch? Vor allem auf diesen Feiern der "gehobenen Gesellschaft", wo sie sich alle für was besseres halten."

Als Fay ohne seine Hilfe aufstand, ließ Jaden die Hand wieder sinken. Der Blonde wollte sich also wohl nicht helfen lassen; da war er ja nicht der erste, den er so traf, auch, wenn Jaden solche Leute nicht unbedingt verstand.
"Und wieso bist du dann überhaupt auf solchen Feiern?", fragte er, den Kopf leicht schiefgelegt. Fairerweise hatte Jaden oft das Gefühl, die feinere Gesellschaft nicht so wirklich zu durchschauen. Er wusste vielleicht theoretisch, was dort manchmal ablief, und das es wichtig war, sich hin und wieder der Öffentlichkeit zu zeigen, es macht aus seiner Sicht aber einfach wenig Sinn.

"Meistens, weil mich meine Freundin oder mein Freund zu der Zeit mit hinschleifen. Oder aber, um neue Leute kennenzulernen. Reiche Leute ticken alle gleich", erwiderte Fay mit einem leicht bitteren Unterton. Klar, ohne ihr Geld würde Fay vermutlich auf der Strasse sitzen, oder zumindest nicht mehr so luxuriös leben können, wie er es momentan tat, aber das hiess nicht, dass er ihre Art wertschätzte. Das einzig gute war, dass sie sich so leicht manipulieren liessen.

Ein wenig zog Jaden die Augenbrauen hoch. "Und du zählst dich selbst nicht zu den 'reichen Leuten'?", fragte er nach. Dabei sah Fay durchaus gut gekleidet aus, und die "armen Schlucker" wie er selbst würden bei so einer Feier sicher nicht reingelassen werden. Außerdem "Freundin oder Freund"... Also lachte der Blonde sich einfach immer einen Neuen an und ließ sich aushalten? Na, wenn er meinte.
"Wobei ich generell nichts davon halte, Leute in Kategorien zu packen", bemerkte Jaden und zuckte die Schultern. "Da gehen einem so einige interessante Gespräche verloren."

"Wohl kaum", erwiderte Fay kühl und verschränkte die Arme.
"Glaub mir, da geht nichts verloren. Ich habe quasi mein ganzes Leben unter ihnen verbracht...sie sind alle gleich. Denken, ihnen gehört die Welt, nur weil sie Geld haben. Denken, sie könnten einfach tun und lassen, was sie wollen...", der Rabenjunge schüttelte kurz den Kopf und stoppte sich selbst. Warum erzählte er diesem Kerl überhaupt irgendwas, normalerweise hatte er sich doch besser unter Kontrolle, hielt sich von den meisten Menschen fern. Vielleicht wäre es besser, zu seiner Freundin zurückzukehren, aber um ehrlich zu sein, hatte er momentan so überhaupt keine Lust, sie zu sehen und ihr weiter vorzuspielen, dass er irgendwas für sie empfand.

Jaden musterte sein Gegenüber, der nicht viel älter zu sein schien als er selbst. "Vielleicht fehlen mir ja noch einige Jahre, um deine große Lebenserfahrung und Weisheit zu erreichen", meinte er, den Hauch eines Grinsend auf den Lippen, "Aber ich hatte schon das ein oder andere interessante Gespräch mit der hohen Gesellschaft. Gut, die meisten haben keine große Lust, sich mit mir abzugeben, aber die, die es tun, sind oft genug ganz okay."
Der Blonde war schon irgendwie interessant, Jaden hatte das Gefühl, dass es da irgendetwas gab, was er verbarg. Aber wenn er es nicht erzählen wollte, dann war das eben so. "Aber wenn du sie so schlimm findest, warum gibst du dich dann mit ihnen ab? Du lässt dich von Leuten mitschleifen, die du nicht magst, um neue Leute kennenzulernen, die du nicht magst - Wozu das ganze?", fragte er nach und zuckte die Schultern. "Klingt für mich nämlich nicht so, als ob dir das allzu viel nützt."

"Hm....das ist es, was sie wollen, dass du denkst....", murmelte Fay etwas abwesend, bevor er sich wieder vollständig auf das Gespräch konzentrierte.
"Naja, irgendwovon muss ich ja leben, nicht wahr? Nicht jeder hat ein verborgenes Talent, mal ganz agbesehen davon, dass deine kleinen Musikstückchen ja nicht gerade viel einzubringen scheinen", erwiderte Fay etwas hochnäsig, während er seinen Blick über seinen Gesprächspartner schweifen liess. "Ich jedenfalls gebe mich ganz bestimmt nicht mit weniger als ich muss, immerhin sind die meisten Leute ziemlich leicht zu....", eigentlich hatte er 'manipulieren' sagen wollen, bemerkte aber, dass er schon wieder angefangen hatte, über sich selbst zu reden. "Naja, jedenfalls ist das quasi mein Job. Mich mit reichen Leuten zu beschäftigen."

"Oder vielleicht bist du dir nur schon so sicher, dass du nichts anderes mehr sehen kannst", gab Jaden zu bedenken. Ohne darüber nachzudenken, legte er eine Hand auf seinen Flötenkoffer. "Oh, ich glaube, meine Musikstücke geben mir viel mehr, als deine Arbeit dir", antwortete er lächelnd, und für einen Augenblick sah er ein wenig abwesend in die Ferne des nächtlichen Parks.
Dann fokussierte sich Jadens Blick wieder auf Fay. "Am Ende ist es natürlich deine eigene Entscheidung, aber... Ich glaube fast, du gibst dich mich bedeutend weniger zufrieden, als du müsstest." Kurz zwinkerte er seinem Gegenüber zu - Mal schauen, ob der Blonde verstand, was er meinte.

Fay blickte in den Sternenhimmel und bemerkte das Zwinkern nicht wirklich, während er tief seufzte.
"Ja sicher...keine Sorge, ich habe alles, was ich brauche und je erwarten könnte. Letztenendes schert sich eh keiner um mich, geschweige denn, dass jemand tatsächlich Gefühle für mich entwickeln könnte. Selbst meine Eltern haben mich einfach ausgesetzt", erwiderte er bitter, bevor er wieder seine hochnäsige Haltung einnahm. "Ist ja auch egal, letztenendes ist das materielle sowieso das Einzige, was bleibt. Deine Musik mag dir zwar noch Spass machen, aber warte erstmal ab, bis du damit nicht mehr genug verdienst. Einen leeren Magen kannst du damit nämlich nicht gerade füllen."

"Wie soll sich denn auch jemand um dich kümmern, wenn du niemanden reinlässt?", fragte Jaden, die Stimme plötzlich sehr sanft. Er kannte Fay nun nicht wirklich, aber wenn er solche Worte schon hörte, tat ihm das Herz weh. "Deine Eltern waren wohl Bastarde, aber das heißt nicht, dass alle Menschen so sind."
Ein Teil von Jaden wollte den Blonden ihm gegenüber am liebsten in den Arm nehmen, aber er wusste nicht, ob der ihn lassen würde. Stattdessen holte er mit geübten Fingern seine Flöte wieder heraus und spielte - Musik machte es aus seiner Sicht einfach so viel leichter, Gefühle zu kommunizieren. Die Melodie war sanft, ruhig, eben wie eine Umarmung klingen würde.
"Natürlich reicht es nicht immer", gab Jaden zu. "Aber na und? Im Notfall kann ich kellnern, um über die Runden zu kommen. Auf den neusten Sportwagen und die erste Klasse-Kreuzfahrt muss ich wohl oder übel verzichten, aber das brauche ich eben auch nicht. Was bringt dir denn dein Geld, Fay? Essen, ein Dach über'm Kopf und Kleidung hab ich auch. Und, wenn du mir die Vermutung erlaubst, scheint das ganze Extra dich nicht besonders glücklich zu machen." Er sprach noch immer sanft und behielt sein Gegenüber im Blick - Sollte Fay wirken, als ob die Unterhaltung ihm zu unangenehm würde, würde er wohl oder übel stoppen. Immerhin wollte Jaden seinen Mitmenschen helfen, nicht dafür sorgen, dass sie sich schlecht fühlten.

Tief in seinem Innern wusste Fay, dass Jaden recht hatte, aber seine Erfahrung und sein Stolz machten es ihm unmöglich, das einzugestehen.
"Das mag ja vielleicht deine Erfahrung sein, aber was ich gelernt habe, ist, dass man in dieser Welt am besten dran ist, wenn man sich ausschliesslich um sich selbst kümmert. Und ehrlich gesagt, ja, all diese Sachen, die ich mir leisten kann, machen mich glücklich. Warum sollten sie auch nicht?! Egal, was ich will, ich kann es mir kaufen. Und so etwas wie Gefühle oder Freunde, das brauche ich alles nicht. Denn letztenendes wird man ja doch nur verletzt, wenn man sich auf irgendetwas einlässt. Hoffnung ist die grösste Lüge in dieser kaputten Welt!", erwiderte Fay und redete sich dabei immer mehr in Rage. Nachdem er fertig war, drehte er sich um und noch während seine Flügel erschienen stiess er sich vom Boden ab und flog davon, ohne Jaden die Möglichkeit zu lassen, zu antworten.

Jaden hob die Hände und trat einen halben Schritt zurück. "Hey, hey, ich meinte doch... Wenn...", versuchte er mehrfach, etwas einzuwerfen, aber Fay war bereits viel zu aufgewühlt und schien einfach über seine Einwürfe rüberzusprechen.
Also hielt Jaden einfach wieder seine Flöte an seinen Mund und spielte. Die Melodie war schwer zuzuordnen, immerhin gab es einige Gefühle, denen er Ausdruck verleihen wollte. Eine Entschuldigung, dass er ihn so aufgewühlt hatte, allen voran. Aber auch etwas Mitleid schwang wohl mit - Was der arme Kerl wohl erlebt hatte, dass er so dachte?
Jaden merkte nicht einmal, dass ihm beim Spielen eine Träne über die Wange lief. Er hielt die Melodie aufrecht, noch lange, nachdem Fay nicht mehr zu sehen war - Oder eher, zu sehen gewesen wäre, wenn er nicht die Augen geschlossen hätte. Erst danach senkte Jaden die Flöte langsam und legte sie vorsichtig zurück in seinen Koffer, bevor er die Träne wegwischte und sich langsam auf den Rückweg machte, wenn auch ohne große Motivation.

Ein paar Straßen von seiner Wohnung entfernt - Er war ein paar Haltestellen früher ausgestiegen als sonst - bemerkte er einen Straßenköter, der eine umgeworfene Mülltonne durchsuchte. "Hey, Kumpel", sagte Jaden leise. Der Hund sprang erschrocken zurück, als er die Stimme hörte, aber Jaden blieb ruhig. "Du siehst aus als hättest du nen schlechten Tag gehabt, hm? Na, warte hier." Er blickte sich kurz um, bis er einen nahen Convenience Store fand, was anderes hatte immerhin um diese Uhrzeit nicht mehr geöffnet. Ein paar Würstchen und etwas Dosenthunfisch, mehr konnte er dem Hund nicht anbieten.
Als Jaden gegangen war, hatte der Streuner sich wieder über die Mülltonne hergemacht, aber die Würstchen waren dann doch interessanter. "So ist's gut. Kann wenigstens einer von uns den Tag mit nem positiven Gedanken beenden, hm?" Vom zweiten Würstchen biss Jaden zuerst selbst ab, bevor er den Rest an den Streuner gab. Ganz am Ende öffnete er auch die Thunfischdose und stellte sie auf den Boden.
Der Hund schnupperte kurz daran, bevor er zu fressen begann. Jaden strich ihm noch ein paar Mal durchs zottige Fell, bevor er aufstand. "Viel Glück noch, Kumpel." Er klopfte ihm noch zweimal aufmunternd auf die Seite, bevor er sich endlich auf den Weg zurück in seine Wohnung machte.

Fay flog noch eine Weile weiter, bevor er auf einem kleinen Hügel landete und seufzte. "Ich bin so ein Idiot...", murmelte er leise, während er sich setzte, die Knie anzog und die Arme verschränkt darauf ablegte. Seine Wut war so schnell verflogen, wie sie gekommen war, wobei er sich fragte, wieso er überhaupt so emotional geworden war. Normalerweise hatte er sich viel besser unter Kontrolle. Aber vielleicht hatte er einfach alles zu lang in sich aufgestaut und sein kleiner Ausbruch würde ihm helfen, wieder zu seiner ruhigen kontrollierten Art zurückzufinden. Blieb nur die Frage, warum es gerade dieser Kerl war, der ihn dazu gebracht hatte, mehr von sich zu zeigen, als er es für gewöhlich tat. Fay schüttelte den Kopf, hauptsächlich um die Gedankenflut abzuschütteln, und stand auf, schliesslich war es langsam Zeit, zu seiner Freundin zurück zu gehen.

In der Wohnung angekommen, stellte Fay fest, dass sie schon längst eingeschlafen war und sich natürlich über das ganze Bett ausgestreckt hatte. Also suchte er sich eine Wolldecke und legte sich auf die Couch. Es dauerte zwar eine ganze Weile, aber schliesslich driftete auch er in einen etwas unruhigen Schlaf.

Zurück in der kleinen Wohnung legte Jaden zuerst seine Instrumente wieder an ihren gewohnten Ort, bevor er sich selbst bettfertig machte. Dabei achtete er darauf, möglichst leise zu sein; die Wände waren dünn, und er wollte niemanden aufwecken. Schon gar nicht seine Vermieterin, die ihre Wohnung gleich nebenan hatte.

Am nächsten Morgen stand Jaden der Sinn zwar irgendwie nach Gitarre, aber auch auf die anderen Instrumente hatte er Lust; also nahm er kurzerhand alles mit, als er sich wieder auf den Weg zu seiner altbekannten Ecke machte

"Fay! Wach auf!"
Fay spürte eine Hand an seiner Schulter, die ihn sanft schüttelte, und öffnete widerwillig die Augen. "Was ist denn?!"
"Du hast schon den halben Tag verschlafen, denkst du nicht, dass du langsam mal aufstehen solltest?", antwortete Lucy leicht genervt und schüttelte ihn erneut.
Murrend setzte Fay sich auf und schob die Decke zur Seite, woraufhin seine Freundin sich neben ihm breit machte. "Wo warst du gestern überhaupt noch so lange? Ich hab auf dich gewartet, aber nachdem du nicht aufgetaucht bist..."
"Geht dich ja wohl nichts an", fauchte der Rabenjunge, während er die Augenbrauen zusammenzog und in die andere Richtung schaute.
Lucy schwieg eine Weile, bevor sie seufzte und ihm die Hand auf die Schulter legte. "Fay, wenn du mir nicht erzählst, was los ist, kann ich dir nicht helfen. Ich mach mir doch nur Sorgen um dich", meinte sie sanft, was Fay jedoch eher misfiel. "Warum kümmerst du dich nicht um deinen hübschen Freund, mit dem du gestern den ganzen Abend verbracht hast?", erwiderte er nur genervt, was Lucy dazu brachte, lächelnd den Kopf zu schütteln. "Nanu, du wirst doch wohl nicht eifersüchtig sein? Dabei tust du sonst immer so, als wäre dir alles egal."
"Träum weiter. Ich brauch frische Luft", grummelte der Blonde nur und stand auf, um sich anzuziehen und dann die Wohnung zu verlassen.
Draussen zu sein half ihm für gewöhnlich, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, doch irgendwie fühlte er sich noch immer wütend, weshalb auch immer. Vielleicht war es auch einfach eine allgemeine Unzufriedenheit über seine momentane Situation. Während er so darüber nachdachte, fiel ihm kaum auf, dass er den gleichen Weg wie gestern eingeschlagen hatte.

Jaden legte seine Instrumentenkoffer ab und hatte gerade die Gitarre herausgeholt, doch noch bevor er die ersten paar Takte spielen konnte - Zum Glück, sonst hätte er es wohl nicht bemerkt! - sah er aus dem Augenwinkel einen Polizisten. Und leider nicht nur irgendeinen, sondern ausgerechnet den, mit dem er schon öfter aneinandergeraten war. Einigen anderen war es ja egal, aber ihm war es anscheinend unglaublich wichtig, wer wo spielte.
Hastig räumte er wieder zusammen. Als er sich, die Gitarre wieder im Koffer, umsah, schien der Ordnungshüter ihn schon bemerkt zu haben und auf ihn zuzukommen - Aber hatte er ihn jetzt erst bemerkt, oder schon vorher, mit der Gitarre draußen?
"Guten Tag", grüßte Jaden ihn mit einem entwaffnenden Lächeln, gegen das der Polizist leider völlig immun war.
"Sie wissen doch, dass Sie hier nicht spielen dürfen. Selbst mit Genehmigung ist das hier kein Ort für Straßenmusik."
Jaden zuckte die Schultern. "Nun, ich habe nicht gespielt, also habe ich keine Straßenmusik betrieben."
"Und wäre das auch so gewesen, wenn ich fünf Minuten später hiergewesen wäre?" Die Polizist hat beinahe stechende Augen, und Jaden spürte, wie sich die Haare in seinem Nacken aufstellten.
"Sie wollen mich doch nicht für etwas verhaften, was nicht einmal passiert ist, nur, weil es hätte sein können?"

Fay war bereits eine Weile gelaufen, als er aus den Augenwinkeln eine Diskussion zwischen einem Polizisten und einem Strassenmusiker bemerkte. Er wollte gerade einfach weitergehen, als ihm auffiel, dass ihm dieser Ort ziemlich bekannt vorkam, hier hatte er doch Jaden das erste Mal gesehen? Bei genauerem Hinsehen fiel dem Rabenjungen auf, dass es tatsächlich wieder Jaden war, der vermutlich versucht hatte, hier zu spielen.
Die Augen rollend schüttelte Fay seufzend den Kopf und wandte sich zum Weitergehen, zögerte dann aber doch.

Der Polizist zögerte kurz, was Jaden nutzte, um ein paar winzige Schritte von ihm abzurücken. "Eine Verhaftung ist es wohl nicht", gab er dann zu. "Aber zumindest aufs Präsidium sollten Sie mich begleiten. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Sie ihre Gitarre bereits gehalten haben, und es nicht Ihr erstes Vergehen ist."
Verdammt, er hatte es also doch bemerkt. Dann eben Plan B. "Ah, ich verstehe natürlich, wieso Sie so denken; Ihre Haltung ist durchaus nachvollziehbar. Natürlich werde ich", und mitten im Satz rannte Jaden zur Seite weg. Dass er wohl beim ersten Schritt - als er die Augen ja noch auf den Polizisten gerichtet hatte, um sich nicht zu verraten - in niemanden hineinlief, war wohl nichts anderes als Glück. Aber mit zum Polizeirevier, wo sie am Ende versuchten, seine Instrumente in Gewahrsam zu nehmen? Keine Chance!

Auf seiner Flucht sah Jaden einen bekannten Blonden. Er nahm sich genug Zeit, um Fay kurz zuzuzwinkern, aber für eine Unterhaltung war nun wirklich keine Zeit; zum Glück kannte Jaden die Gassen, und war so in er Lage, ein paar Haken zu schlagen, bevor er sich auf eine Feuerleiter zog und dort auf der zweiten Etage ausharrte. Ob das genügt hatte, den Polizisten von seiner Fährte abzubringen?

Fay blieb noch einen Moment verdutzt stehen und blinzelte, während Jaden davonlief. Dann schüttelte er seufzend den Kopf, während er dem Polizisten hinterhersah, der versuchte, den Musiker einzuholen. Das Ganze ging ihn nichts an, er sollte einfach weitergehen. Aber wohin eigentlich? Nachdem der Rabenjunge noch eine Weile nutzlos in der Gegend stand, entschied er sich, zurück zu gehen. Immerhin hatte der Spaziergang tatsächlich wenigstens ein bisschen geholfen und er war sich sicher, wieder seine übliche Rolle einnehmen zu können. Anstatt seiner üblichen Route nahm er jedoch eher kleinere Gassen, um die Menschenmassen zu meiden, er wollte momentan lieber seine Ruhe.